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Erst waren wir Papst. Jetzt sind wir Weltmeister. Papst sind nun die Argentinier. Wir: Weltmeister. Der Karriereplan, den ich nie hatte, scheint zu funktionieren. Mal Papst gewesen zu sein, macht sich bestimmt mal gut in der Bewerbungsmappe.

Da der Deal (Papst-Argentinier vs Weltmeister-Deutsche, im Nebenamt Fußballgötter) klar ist, mir inzwischen jedenfalls, kann ich mich auf ein paar Notizen als Nachbemerkung zur WM 2014 konzentrieren.

Der Realitätssinn des SED-Politbüros

Über die Programmgestaltung von ARD und ZDF und die journalistischen Leistungen der öffentlich-rechtlichen TV-Akteure kann man sich aufregen. Muss man nicht, weil die Distanz zwischen Sendern und Realität inzwischen mehr zu sein scheint als nur eine sportliche Herauforderung, Ärger folglich nicht viel bringen mag. Kann man aber. Auch dafür gibt es gute Gründe.

Einziger echter Lichtblick in der Moderatoren-Kommentatoren-Riege war und bleibt Mehmet Scholl. Alles andere war meistens dazu angetan, sich peinlich berührt zu fühlen, immer aber schlecht unterhalten. Einen wunderbaren, trotz aller Flapsigkeit sehr seriösen Text dazu hat Imre Grimm in der Montagsausgabe der Madsack-Titel veröffentlicht: Scholl und die Schlappen.

Atemberaubend bleibt allerdings das ARD-ZDF-Fazit zur WM und den Einschaltquoten. Diese auf die hochwertige Berichterstattung zurückzuführen, hat ungefähr denselben intellektuellen Tiefgang, als hätte das SED-Politbüro die Absatzzahlen der Zweitakt-Qual „Trabant“ mit der technisch hochwertigen Fertigung und dem schnittigen Design der Rennpappe begründet. So vermessen war nicht einmal die Rentner-Gang aus Volvograd. Um es auf den Punkt zu bringen: Es gab keine Alternativen. („Wir hatten ja nichts.“) Mindestens die Hälfte aller Fußballfans hat früher nicht wegen, sondern trotz Heribert „Gunnahmtallerseits“ Faßbender eingeschaltet. An dem Problem haben auch seine Kommentatorennachfolger nichts geändert.

Fußball ohne FIFA vs FIFA ohne Fußball

Mit der FIFA ist’s wie mit den Öffentlich-Rechtlichen: Ärgerlich, aber im Moment kriegt man sie einfach nicht abgeschafft. Dass diese Einrichtung keine gemeinnützige GmbH ist, dürfte jedem klar sein. Aber vielleicht hilft ein Gedanke, so sozialromantisch er zunächst auch klingen mag: Fußball ohne FIFA gibt es praktisch überall auf der Welt an jeder Straßenecke. FIFA ohne Fußball ist allerdings nur teures Altenheim. Kein Verband muss Mitglied der FIFA sein. Sich aufzuregen, ist dennoch mehr als in Ordnung. Man wird Blödsinn ja wenigstens mal benennen dürfen:

Informationen im 24/7-Rhythmus

Eine Lehre für uns Zeitungsleute: Nach Abpfiff fix einen möglichst packenden Beitrag zu schreiben, reicht überhaupt nicht mehr. Second-Screen und Social Media in allen Spielarten sind längst Alltagsrealität unserer Kunden (und solcher Menschen, die es sein sollten), und deshalb müssen wir auf der kompletten Klaviatur spielen.  Die Lücke von 24 Stunden zwischen zwei Zeitungszustellungen ist längst viel zu groß, und wir müssen eigentlich nur die Frage beantworten, auf welchem Kanal wir wann am Tag welche der zahlreichen Informationen, über die wir im 24/7-Rhythmus verfügen können, verbreiten wollen. Warum nur einmal am Tag eine Tageszeitung ausliefern, wenn wir Stoff für den ganzen Tag haben? Man könnte 1000 Gründe anführen, wenn es sie denn gäbe.

Die Auffächerung der Berichterstattung auf mehrere Kanäle hat vor allem bei Themen wie Sport den Vorteil, sauberer zwischen „harter Nachricht“ und unterhaltenden Elementen unterscheiden und derlei mit größerer Vielfalt darstellen zu können. One size fits all ist eben auch hier Geschichte.

Große und großartige Ereignisse wie die Fußball-WM 2014 sind immer ein hübscher Anlass, Veränderungen in der Berichterstattung zu forcieren, die in Redaktionen und Verlagen sonst gern wegen tatsächlicher oder vorgeblicher Überlastung im Alltag auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben werden. Zeitungsleute brauchen eben konkreten Termindruck. Freuen wir uns also auf die EM und die Olympischen Spiele 2016.