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Christoph Oppermann / Medienblog

Kategorie: Medienblog (Seite 23 von 23)

„Lokale News + Blogs + Communities“

Drehscheibe: „Wie kann man spannenden Lokaljournalismus für junge Leute im Internet machen? Seit fünf Jahren suchen die Macher der Online-Plattform fudder.de täglich eine Antwort auf diese Frage und sind dabei schon weit gekommen, wie der Grimme Online Award beweist, den sie 2007 erhalten haben. Markus Hofmann leitet das Projekt der Badischen Zeitung von Beginn an. Den fünften Geburtstag, den Fudder im Januar 2011 feierte, hat die Drehscheibe zum Anlass genommen, den Fudder-Chef Bilanz ziehen zu lassen.“

Die Erfahrungen Hofmanns und seiner Kollegen weisen einen Weg, mit dem wir uns schleunigst vertraut machen sollten – den der Diversifikation. Und zwar in mehrerlei Hinsicht.

Seit vielen Jahrzehnten waren wir verwöhnt mit einem, mit dem Königsweg im Vertrieb. Einmal täglich die Zeitung drucken, bis zum festgesetzten Zeitpunkt ausliefern, und die Kunden haben bislang sogar noch so viel Vertrauen zu uns, dass wir die Kosten dafür direkt vom Konto abbuchen dürfen. Davon träumt jeder Einzelhändler. Fortan werden wir sicher auch mit der Notwendigkeit konfrontiert sein, unsere Nachrichten als Ware nicht nur en gros, sondern auch en detail an den Kunden bringen zu müssen.

Flexibler müssen wir aber nicht nur in Fragen der Vertriebskanäle werden, auch mit Blick auf die Zielgruppen. Solange die Zahl der Alternativen übersichtlich war – drei TV-Programme, vier für die Mutigen, die auch die „aktuelle kamera“ nicht gescheut haben, Tageszeitung, Anzeigenblatt, das war‘s mit Informationsflut – konnte das letzte Argument gegen ein Abonnement noch mit einer intelligenten Buchstruktur entkräftet werden. Das galt für fast alle Altersgruppen. Letztlich war es eine Frage der Zeit, wann ein halbwegs durchschnittlicher Haushalt sich ein Tageszeitungs-Abo zulegte. Oder es überhaupt nicht konnte. Selbst diese Unterschiede verschwinden immer mehr.

Statt nur ein Produkt täglich auf den Markt zu bringen, werden wir die Inhalte auf bedeutend mehr Kanäle verteilen müssen.

Der Demokraten-Hype

Nicht nur gegen einen ordentlichen demokratischen Aufstand habe ich nichts. Auch nichts gegen die Begeisterung, die die Anti-Mubarak-Bewegung, in Europa entfacht. Aber fremd bleibt dabei einiges.

Mir ist aus den vergangenen Jahren und Jahrzehnten kein Leitartikel, kein Kommentar, keine Magazingeschichte erinnerlich, die die mangelnden Demokratie-Grundlagen in Ägypten thematisiert hätte. Im Gegenteil: Ägypten unter Mubarak, das war common sense und offizielle Lesart, war Garant für zumindest etwas Stabilität im Nahen Osten. Innerhalb weniger Tage ist aus dem Garanten nicht nur eine persona non grata auf der politischen Bühne geworden, selbst seriöse Titel haben aus dem Sadat-Nachfolger fast buchstäblich über Nacht einen Diktator, sogar Despoten gemacht. Derlei Berichterstattung ist nicht schlüssig.

 

 

JuLe: Junge Menschen erreichen

Wie machen wir aus jungen Menschen künftige Zeitungsleser und hoffentlich auch Abonnenten der Zukunft? Diese Frage bewegt die Branche nicht erst seit kurzer Zeit, doch haben die Diskussionen dazu in den vergangenen Monaten erheblich an Dynamik gewonnen, nämlich seit der BDZV und TBM JuLe, die Initiative Junge Leser, aus der Taufe gehoben haben.

Das erste JuLe-Treffen von Kollegen aus Redaktionen und Verlagen hat eines deutlich gezeigt: Wir suchen Auswege vornehmlich im Printbereich: mit Jugendredaktionen, ZiSch-Aktionen und vor allem Jugendseiten in den Zeitungen. Offenkundig haben wir nicht nur die falschen Antworten, sondern beschäftigen uns auch mit den falschen Fragen.

Dazu wieder ein paar Thesen als Fortsetzung des ersten JuLe-Textes:

  1. Wenn der Kunde nicht zum Angebot kommt, müssen wir dem (jungen) Kunden unsere Ware direkt bis auf den Computer, das iPhone, das iPad liefern.
  2. Unser Job ist nicht primär das Bedrucken von Papier, sondern das Sammeln, Verfassen, Verarbeiten und Veröffentlichen von Nachrichten.
  3. Wir wollen aus jungen Menschen Abonnenten von morgen machen, statt diese als Partner, User und mögliche Kunden von heute zu betrachten. Warum wollen wir erst mit 30-Jährigen in eine Geschäftsbeziehung treten, nicht aber mit 20-Jährigen?
  4. Anders als noch vor wenigen Jahren gibt es heute mehr Möglichkeiten, junge Menschen direkt zu erreichen. Standen Verlagen und Redaktionen vor wenigen Jahren – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur Printprodukt und eine Internetseite zu Verfügung, gibt es heute zahlreiche weitere Vertriebskanäle in den social media. Von konsequenter Nutzung dieser Möglichkeiten in den Verlagshäusern kann derzeit gar keine Rede sein.
  5. Die Verlängerung gedruckter und auf Internetseiten der Zeitungen veröffentlichter Beiträge über Facebook, Twitter und andere social media ist nur der erste Schritt weiterer Kunden- und Leserwerbung.
  6. Redaktionen und Verlage haben bedeutend mehr Ware vorrätig, als sie tatsächlich anbieten: Terminübersichten, Bildergalerien, maßgeschneiderte digitale Informationspakete statt nur einer Zeitung für alle. Zeitungen mit Ticketshops können von der Veranstaltungsankündigung bis zum e-Ticket alles aus einer Hand liefern.
  7. Wir müssen uns auf immer kürzere Technik-Intervalle einrichten. Vor zwei, drei Jahren waren die VZ-Anwendungen und MySpace das Maß der digitalen Dinge, derzeit ist es Facebook, und niemand kann derzeit sicher vorhersagen, auch welcher Plattform sich (junge) Menschen in zwei Jahren tummeln.
  8. Wenn wir als Tageszeitungsverlage diese Angebote authentisch machen wollen, müssen wir uns von vielen Gewissheiten und Grundlagen unserer täglichen Arbeit verabschieden: vom sechs-Tage-Rhythmus, der gerade das für Lokalzeitungen hochinteressante Wochenende unterbelichtet lässt; vom einmaligen Update unseres Angebotes mit der Drucklegung in der Nacht; vom Schreiben für alleine einen Kanal und nur eine undefinierte Zielgruppe.

Thesen zu Problemen bei und mit Jugendseiten.

 

 

 

 

 

Probleme bei und mit Jugendseiten

Endlich einmal versuchen Zeitungsverlage, mit Blick auf den Jugendmarkt und junge Erwachsene im Focus, ihre Kompetenzen und Ressourcen zu bündeln. Hier ein Fazit nach zehn Jahren in der Praxis einer kleinen Tageszeitung. Welchen Effekt hat eine Jugendseite in der Tageszeitung? Die vermeintliche Bilanz ist tatsächlich eine Thesensammlung und reizt hoffentlich zum Widerspruch. Das komplette Papier gibt es für JuLe-Mitglieder in Kürze auf der JuLe-Plattform.

Fazit / Thesen:

  1. Die Seite hat keine erkennbare Relevanz bei der Zielgruppe. Auch nach einigen Jahren hat sich das Label der Seite nicht als Jugendmarke etablieren können.
  2. Jugendredaktionen als Urheber von Jugendseiten funktionieren nur in Ballungsräumen, nicht jedoch in Mittelzentren, weil die Zahl derer, die zur Mitarbeit bereit und fähig sind, prozentual zu niedrig ist, außerdem die Bereitschaft zur dauerhaften Bindung und Mitarbeit gegen jeden soziologisch feststellbaren Trend liefe.
  3. Die Zielgruppe ist vollkommen ungenau definiert: Wollen wir Abonnenten von morgen oder Kunden von heute gewinnen? Oder beides?
  4. Angebot und dessen Struktur sind noch vollkommen ungenau definiert.
  5. Wir sind immer noch vollständig alten Denkstrukturen verhaftet: Wir sind eine Zeitung, und wir versuchen, junge Leute und Tageszeitung übereinzubringen.
  6. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass junge Menschen, die üblicherweise keine Zeitung zur Hand nehmen, dieses ohne Anreiz an einem bestimmten Wochentag tun sollten in der Hoffnung, auf einmal versteckt im Produkt eine Seite zu finden, die mit für junge Menschen interessanten Inhalten bestückt sein könnte. Die Hoffnung auf Realitätstauglichkeit dieser Annahme konkurriert stark mit dem Selbstbetrug, man selbst sei statistisch nur noch wenige Wochen von „6 Richtigen mit Zusatzzahl“ entfernt.
  7. Jugendseiten in Zeitungen sind Erfindungen und Lieblingskinder von Redakteuren, Verlegern und Sponsoren. Mit dem Rezeptionsverhalten zahlreicher Zielgruppen haben solche Ghettoseiten tatsächlich nur wenig zu tun.

Lösungsansätze gibt es bereits, und diese scheinen auch praktikabel. Mehr dazu später.

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