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Warten wir darauf, dass Bleisatz Retrotrend wird? (Photo © Oppermann)

„… Wir lesen alle paar Monate Studien zur Mediennutzung von sozialen Netzwerken. Abstrakte Zahlen. Vielleicht müssen wir diesen Leuten einfach mehr zuhören. In echt. Nicht in Studien. Und vor allem ernsthaft. Vielleicht braucht es viel mehr junge Leute in Redaktionen zu diesem Thema. Die dauerhaft Input geben. … (Quelle: Warum Journalisten auf junge Leute zugehen müssen – und nicht umgekehrt)

Andreas Rickmann hat Recht. Selbstverständlich hat er Recht. Dabei ist sein Text „Warum Journalisten auf junge Menschen zugehen müssen – und nicht umgekehrt“ eigentlich banal, jedenfalls liest er sich so. Tatsächlich bringt er in wenigen Zeilen das Kernproblem des Zeitungsgewerbes auf den Punkt: Wir denken nicht vom Ergebnis her.

Wir arbeiten an künftigen Kunden / Lesern / Nutzern vorbei, und wir tun es auch mit der bereits bestehenden Kundschaft. Jeder Auflagenverlust zeugt davon. Wäre das nicht so und wäre die Kombination von Nachrichtenauswahl und Trägermedium attraktiv, müssten sich niemand in der Zeitungsbranche über schwindelerregende Verluste Sorgen machen – und nach meiner festen Überzeugung ist Papier als Träger der Nachrichten nur unser halbes Problem. Kern unserer Schwierigkeiten aber bleibt, dass wir uns immer nur an dem orientieren, was wir kennen oder zu kennen meinen. Beispiel Soziale Netzwerke:  Man kann sich für halbwegs modern halten, wenn man als Redaktion bei Facebook unterwegs ist. Wenn aber das Mittelalter sich dort tummelt, nämlich wir Redakteure, kann es für Jugendliche fast nur noch den Reiz des Absurden haben. Jedenfalls angesichts unserer Themenauswahl. Beispiel Verlagsstrukturen: Welche Zeitung kann sich wirklich als kampagnenfähig im Sinne der Lesergewinnung bezeichnen. Tatsächlich hat jeder Verlag noch mehr oder weniger dieselben Strukturen wie zu der Zeit, als Zeitungsdruck hat ein sicheres Geschäft gewesen ist.

Was nicht mehr hilft, um Kunden / Leser / Nutzer zu erreichen:

  • Gefühlte Werte: „Der Leser wünscht das so“ ist der Klassiker in Redaktionen. Welche Redaktion besorgt sich zu Leserwünschen und -bedürfnissen tatsächlich valide Grundlagen?
  • Selbstreferenzierung: Wenn sich die gesamte Branche gegenseitig versichert, mit „Qualitätsjournalismus“ überleben zu können, hat das schon etwas Kabarettistisches. Was ist das, „Qualitätsjournalismus“? Hatten wir das schon mal? Gibt es das bald? Wenn’s klappt, warum machen wir das nicht längst? Oder machen wir das längst, und es klappt doch nicht?
  • Anachronismus: Die Annahme, mit der Rotation Herr über Technik und Veröffentlichung zu sein, scheint so tief in unserer Gewerbe-DNA zu wurzeln, dass wir nicht erkennen, wie weit uns künftige Nutzer, Leser und potenzielle Kunden technisch in Fragen des Publizierens längst überlegen sind.

Eine zum Niedernknien schöne Idee hat Rickmann in seinen Beitrag eingebaut, die Jakob Wais formuliert hat. So simpel wie wahr:

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